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Zugegeben, das ist nicht ganz einfach für uns UnternehmerInnen, die eine klare Zielorientierung zumeist einfordern. Doch genau hier liegt das Potential, die Möglichkeit für ein Konzept, frei von deterministischen Vorgaben.
Die aktuellen Ereignisse rund um Corona und die Stürme in Mitteleuropa zeigen es, zum Beispiel „extinction rebellion“ kommuniziert es provokativ kunstvoll auf der Grundlage: „Wann wenn nicht wir*. Ein Extinction Rebellion Handbuch“.
Ich habe eine sehr ähnliche Auffassung von den Sorgen und Nöten, wann und vor allem auch wer, wenn nicht wir. Doch, wie kommt es dazu und was kann die Kunst hier beitragen?
Die Veränderung läuft über Betroffenheit, da sind wir uns einig. Keine Betroffenheit, keine Aufmerksamkeit, keine Ästhetik und somit auch kein Nach- und in der Folge vielleicht Umdenken. Corona zeigt das aktuell eindrucksvoll.
Veränderung
Es muss sich etwas ändern, radikal und rasch, so die These und Überzeugung. Doch wie kann dieser vielleicht größte Veränderungsprozess, den die Menschheit je organisiert, ja vielleicht organisieren muss, ablaufen?
Wissenschaftliche Studien sind schön und gut, doch die Wirkung, die Zusammenfassung der Aussagen und die Vermittlung dieser kann – vielleicht muss – durch Kunstaktionen signifikant unterstützt werden.
Die Kunst entfaltet ihre Wirkung diffizil, subtil und über lange Zeit, sofern es ihr gelingt, die Menschen beim Herzen zu ergreifen. Insofern wirkt Kunst nachhaltig durch emotionale Berührung, manchmal durch Irritation, da und dort durch Schönheit und durchaus auch mittels Provokation.
Aktionen
„extinction rebellion“, Greta Thunberg’s „Fridays for Future“ uvam. sind Bewegungen, die von der Kunst mitgetragen werden, ein Art Kunstwerk auch für sich sind. Die Bilder bleiben bei uns im Gedächtnis und wirken somit nachhaltig auf unser Verhalten. Da ist die sitzende Greta mit ihrer Tafel und da sind die „extinction rebellions“, stehend auf den Eisblöcken und den Galgenstrick um den Hals.
Geschmack ist vielfältig – zum Glück – auch wenn es zu jeder Kunst-Aktion, zu jedem Kunst-Werk eine Bewertung, einen Grad an „Impact“ – eine Art „Umwegrentabilität“, ganz und gar unternehmerisch, geben kann, so ist das im Grunde nebensächlich für die Kunst.
Als UnternehmerInnen tun wir uns schwer mit solchen Ausdrucksformen. Zu sehr fürchten wir negative Auswirkungen auf das Image. Doch, so es nicht „green-washing“ ist, was getan wird, ist es dann nicht zwingend so, dass ein Kontrast, eine Differenz hergestellt werden muss – Kunst hat das Potential, vielleicht auch nur die Kunst, eine signifikante Veränderung zu erzeugen.
Konstruktive Kritik ist ein Paradoxon in sich. Kritik ist vom Kern seiner Bedeutung und Wirkung auf Veränderung, auf die Darstellung von Unzufriedenheit aus, „extinction rebellion“ würde wohl Rebellion sagen, mir wäre das zu hart. Daran ist per se nichts Konstruktives. Die Konstruktion erfolgt erst später im Prozess mittels Innovation. Die Kritik ist der Ausgangspunkt von möglicher Veränderung, vielleicht Verbesserung und vielleicht Innovation, non-direktional.
Hier zwei – ich gebe zu, aus meiner Sicht gelungene Beispiele, wo Kunst Nachhaltigkeit erwirken will:
Betroffenheit
Die Kunst trägt es in sich, Betroffenheit über Emotion zu erzeugen und nur die Emotion kann eben genau diese Betroffenheit produzieren. Eine Fähigkeit, die Zahlen und Analysen nicht in dieser Form in sich tragen, denn sie treffen uns auf der rationalen Ebene, wo stärker eingeordnet und abgelegt wird. Unsere persönliche Ästhetik („personal aesthetics“), so sagt Hans Hansen, und damit ganz wesentlich unsere Emotionen, treffen Entscheidungen. [Die heftigste und vielleicht „schlimmste“ Form des emotionalen Einflusses auf Entscheidungen ist die Liebe. Frisch verliebte handeln fernab jedweder Vernunft, wer kennt es nicht und ich hoffe, niemand möchte es missen.] Somit ist die Betroffenheit selbst auch mit zu denken und mit zu thematisieren bei der Entscheidungsfindung.
Dabei kann und muss die Enttäuschung Teil davon sein und manchmal ist sie sogar notwendig, um zu einer Ent-Täuschung zu kommen – eine nachhaltige Veränderung der Ästhetik im Sinne von Wahrnehmung.
Es geht nicht nur mir so, dass es manchmal etwas dauert, bis die Oper, das Konzert oder auch eine Ausstellung und Installation, Lesung, usw. ihre Wirkung entfalten kann. Der Prozess der Öffnung, das Anspringen der Wahrnehmung und das Zulassen von Gefühlen ist und war immer schon schwierig für den Großteil von uns. Alltägliche Stressbelastungen, vom harten Wettbewerb geprägte Arbeitswelten machen das nicht gerade einfacher.
So gibt es Menschen, die Empfinden z.B. einfach nichts bei Verdi und Co. - subtiler Umgang wird auf Quantität „das hat aber lange gedauert”, „die haben überzogen” reduziert oder die Erfahrung prägt die Erwartung, die dann freilich unerfüllt bleibt („früher war es besser“).
Und doch trägt die Kunst die Möglichkeit in sich, nachhaltig zu wirken. Warum, weil sie tief in das Bewusstsein der Menschen eindringen kann, fernab von Rationalität, wenn es die Menschen zulassen.
Ästhetik meint die Wiedergewinnung der Sinne und der Sinnlichkeit, geht also über „schöne Dinge tun“ weit hinaus und wird bei der eingeengten Version häufig behindert. Kunst kann als Intervention, im besten Sinne als paradoxe Intervention, wirken.
Innovation
Und dann gibt es noch die Umkehrung – Nachhaltigkeit und Kunst, bei der die Kunst als eine Art Interpretation oder Supervision hinsichtlich der eigenen Nachhaltigkeitsanstrengungen wirken kann. „Artists in Residence“ Konzepte innerhalb von Unternehmen und Institutionen sind ein möglicher, bewährter Rahmen für solche Prozesse. Auch diese sind unbequem und fraglich, ob letztlich nützlich. Das kann und darf auch nicht der Maßstab sein, die Zuwendung auf die Inhalte und das „Heranmeinen“ an die „richtigen“ Fragen bleiben im Zentrum. Entscheidungen folgen dem. Die Dinge von der Grenze aus zu betrachten, das führt zu einer Ent-grenzung und braucht Mut.
Kunst kann hier in ihrer – wie auch immer – Erfahrbarkeit ein wesentlicher Anstoß sein. „Was Du anschaust, sieht Dich an.“ (Huberman)
Allerdings: Der reine, unreflektierte Konsum von Kunst ver-/behindert möglicherweise gerade diesen Reflexionsansatz und diese „offene Rationalität“. Was wäre zu tun? Praktisch? Ent-Täuschung als zentraler Begriff: Wie kommt man von der Enttäuschung zur Ent-Täuschung? Wie lasse ich mich durch Kunst anschauen?
Die Zielgerichtetheit und die Ziel-Mittel-Zuordnung verhindern viel zu oft – und unerkannt – das notwendige Drehen und Wenden. Entscheidungen sind notwendig, wenn die Ziel-Mittel-Logik nicht mehr greift, aber etwas getan/verantwortet werden muss, wie jetzt mit der drohenden Klima-Katastrophe oder dem Corona Virus. Offen/unbefragt bleibt, warum die Entscheidung „jetzt“ getroffen werden muss.
Über den Autor
Karl Baumann ist Geschäftsführender Gesellschafter der ckb GmbH (www.ckb.at), mit der er die letzten 10 Jahre Projekte in DAX-Konzernen (z.B. Daimler) begleitet hat, lebt heute (wieder) in Innsbruck, hat u.a. „Organisation der Strategie. Konstruktionen und Dekonstruktionen“ 2005 veröffentlich, ist Mitglied im weltweiten „Art, Aesthetics, Creativity, and Organisations Research Network“ und überlegt sich aktuell in einer neuen Publikation, wie der Wandel hin zu einer global nachhaltigen Gesellschaft organisiert werden kann – „Building ‚The global Republic‘“ (Arbeitstitel). Kunst & Kultur sind dabei ganz wesentlich, soweit ist er sich schon mal recht sicher.
Über das Titelbild
„Nervosity101“ von Artémis Athénais, 2012, Acryl auf Papier, 126x90 cm, im Eigentum der ckb GmbH
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