Newsletter
Erhalten Sie monatlich Informationen über aktuelle Themen und laufende Aktivitäten. Zusätzlich ist eine Auswahl von Themenschwerpunkten optional möglich. Sie werden jedenfalls zum allgemeinen Newsletter angemeldet.
Es ist wieder 8. März, internationaler Frauentag. Es scheint, als bewege sich etwas. Seit Tagen, Wochen gibt es Frauenschwerpunkte, werden Studien veröffentlicht, bringen feministische Veranstaltungen Sichtbarkeit für strukturelle Benachteiligungen von Frauen. Ein Teil der Gesellschaft, so wirkt es, lehnt sich gegen den sogenannten Backlash, den Rückschritt in Gleichberechtigungsanliegen, der derzeit politisch betrieben wird, auf. Die Frauenministerin möchte etwa Frauen über die negativen Folgen von Teilzeitarbeit informieren. „Frauen, macht endlich!“, lese ich zwischen den Zeilen. Warum tut sie nichts gegen die Strukturen, die ungleich verteilte Arbeit[1] und Einkommen hervorbringen? Können Unternehmen diese Strukturen verbessern?
Wirtschaftliche Argumente für eine gelebte Geschlechtergerechtigkeit gibt es ausreichend:
Unternehmen agieren nicht im luftleeren Raum. Sie sind, gemeinsam mit der Politik, zivilgesellschaftlichen und kulturellen Organisationen, Teile der Gesellschaft, in der und für die sie agieren. Sie wirtschaften mit Ressourcen, deren Besitz sie sich mit der Allgemeinheit teilen und erfüllen idealerweise ein Bedürfnis oder ein Interesse der Gesellschaft - die zu über 50% weiblich ist. Sie tragen Mitverantwortung für eine nachhaltige Entwicklung und auch dafür, auf welche Weise sie die Beziehung zur Gesellschaft gestalten. Jedes Nachhaltigkeits-Rahmenwerk verlangt Offenlegung der Zugänge zu (Geschlechter)Diversität. Das fünfte der nachhaltigen Entwicklungsziele der UN gibt konkrete Hinweise zur Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit - ein gesellschaftliches Ziel, das für alle Beteiligten gut ist: Männer, Frauen, Unternehmen.
Dennoch haben viele Unternehmen diese Chancen noch nicht entdeckt. Wort- und Bildsprache der Unternehmenskommunikation, Aufnahme- und Beförderungsverfahren und Unternehmenskultur belohnen die Erfüllung männlicher Normen. Hier liegt offenbar eine Situation vor, die eine Forschergruppe um den Wirtschaftsethiker Ingo Pies 2009 als „soziales Dilemma“ bezeichnet hat: Eine kollektive Selbstschädigung (Ungerechtigkeit, kleineres Wachstum, unzufriedene Mitarbeitende), die eintritt, wenn AkteurInnen aufgrund vorhandener Belohnungsstrukturen dazu verleitet werden, nicht zum gegenseitigen Wohl (Männer UND Frauen) zu handeln – obwohl es im gegenseitigen Interesse wäre. Doch dem gemeinsamen Interesse fehlt bisher die Öffentlichkeit.
Auf der Suche nach InterviewpartnerInnen zum Thema Geschlechtergerechtigkeit habe ich öfter gehört: „Bei uns werden Frauen und Männer nur nach Qualifikation beurteilt“. Klingt toll, macht aber stutzig. Vor allem, wenn man sich die Quoten dazu anschaut. „Gender-blind“ ist die Bezeichnung dafür – angelehnt an ein Modell zur Verbesserung der Wirksamkeit von internationalen Entwicklungs-Projekten durch Einbeziehung und Transformation bestehender Gendernormen - wenn gar nicht erkannt wird, dass bestehende Strukturen altgediente Geschlechterrollen bedienen und verfestigen. Es wird ignoriert, dass es für Frauen nach wie vor „gläserne Decken“ gibt, fehlende Information durch informelle Strukturen - „old boys clubs“, in denen die nächste Beförderung ausgemacht wird – oder sexualisierte Diskriminierung und sexuelle Belästigung als Karrierehemmnis und ernstzunehmende Gesundheitsgefährdung. Das alles gilt natürlich auch für Männer, wenn sie nicht der herrschenden Norm von Männlichkeit entsprechen, etwa weil sie in Väterkarenz und nachfolgende Elternteilzeit gehen möchten. Wie aber lässt sich – als erster Schritt in Richtung Veränderung - „gender-awareness“, also ein bewusstes Wahrnehmen (frauen)diskriminierender bzw. (männer)belohnender Strukturen fördern?
Sicher sind diverse Studienergebnisse zum Gender Pay Gap, zur nach wie vor geringen Frauenquote auf Führungsebene und zu langfristigen Gehaltseinbußen von Frauen ab dem ersten Kind hilfreich. Die kritische Analyse des eigenen Status Quo, der Unternehmenskultur, der Gehaltsstrukturen so unerlässlich wie das Setzen von Zielen und Geschlechterquoten[2]. Doch das ist nicht genug. Laut Pies et al. müssen Unternehmen zur Lösung sozialer Dilemmata auch am Diskurs teilnehmen oder – etwas salopp formuliert –Storytelling betreiben: den gegenseitigen Nutzen betonen, auf die Vorteile hinweisen, die ein geschlechtergerechtes Arbeitsumfeld für alle hat. Neue Perspektiven auch für Männer eröffnen, Stolz auf den oder die Arbeitgebenden erzeugen.
Einen ersten Schritt dazu macht das Wiener Café Mozart: Für alle Mitarbeitenden verpflichtende Workshops zum Thema sexuelle Belästigung sollen zur Bewusstseinsbildung beitragen und Frauen und Männern, aber auch Jungen und Älteren die Zusammenarbeit erleichtern: „Wir wollen sensibilisieren“ beschreibt Juniorchefin Karoline Winkler die Maßnahme, bei der es auch um respektvollen Umgang und angemessene Kommunikation geht. Als Ausbildungsbetrieb hätte das Unternehmen eine besondere Verantwortung gegenüber den jungen Menschen, diese sollen „sich in der Branche wohlfühlen, sonst gehen sie“ - so ihr Rezept gegen Nachwuchsmangel in der Gastronomie. Und vielleicht helfen den jungen Männern ihre neu gewonnenen Erkenntnisse auch beim nächsten Flirt im Club.
„Women are doing their part. Now companies need to do their part, too“
wird im McKinsey Report Women in the Workplace 2018 gefordert. Mein Mann rät mir, an dieser Stelle noch einen Aufruf anzuhängen: Männer, macht mit im Streben nach Geschlechtergerechtigkeit!
Über die Autorin:
Alexandra Adler ist CSR und Nachhaltigkeitsberaterin, Mitgründerin und –geschäftsführerin der WEITSICHT OG und Wiener Landessprecherin der Expertsgroup CSR-Consultants der Fachgruppe Ubit Wien. Schätzt den regelmäßigen Austausch mit respACT als wichtige Vernetzungsplattform nachhaltiger Unternehmen und als Treiberin der SDGs.
https://www.weitsicht.solutions/über-uns/portraits/alexandra-adler/
https://www.femtech.at/content/she-figures-2015
https://www.gleichbehandlungsanwaltschaft.gv.at/pravention-fur-unternehmen
Newsletter
Erhalten Sie monatlich Informationen über aktuelle Themen und laufende Aktivitäten. Zusätzlich ist eine Auswahl von Themenschwerpunkten optional möglich. Sie werden jedenfalls zum allgemeinen Newsletter angemeldet.