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„Prognosen sind schwierig – besonders wenn sie die Zukunft betreffen“: Wohl selten hat dieses Bonmot so gut die Realität beschrieben wie in diesen bewegten Zeiten. Der Konjunktiv regiert. Schwierig ist es auch, in diesen Zeiten über ökonomische Perspektiven zu sprechen. Aber auch inmitten gesundheitlicher Großgefahren, emotionaler Aufwühlung und politischen Notstandsprogrammen stellt sich die Frage nach den Aussichten einer nachhaltigen Wirtschaft. Was also sind plausible Zukunftsszenarien? Die ehrliche Antwort lautet: Ich weiß es nicht. Immerhin lassen sich unterschiedlicher Zugänge zu diesem Problem unterscheiden.
Pessimismus geht davon aus, dass die Dinge sich zum Schlechten entwickeln. Pessimismus gebiert Tatenlosigkeit. Dasselbe gilt für den Optimismus, der umgekehrt davon ausgeht, dass eh alles gut wird. Viel plausibler und produktiver ist ein Hoffnungsszenario. Wir hoffen auf das Gute und arbeiten daran – sind uns aber gleichzeitig darüber klar, dass wir scheitern können. In den Worten des britischen Philosophen Terry Eagleton: „Wahre Hoffnung brauchen wir, wenn uns das Wasser bis zum Hals steht, was von Optimisten allerdings meist geleugnet wird.“ Hoffnung hat etwas Aktivistisches. Ökonomischer Formuliert: Wer Hoffnung hat, unternimmt etwas. Hoffnung braucht Wissen. Das freilich steht aktuell nur sehr begrenzt zur Verfügung. Für tiefenscharfe Diagnosen unserer Lage ist es ebenso zu früh wie für strategische Tipps. Aber drei Dinge lassen sich guten Gewissens wohl schon heute sagen.
Erstens: Was immer die Krise noch bringen wird – dass Nachhaltigkeitsziele wie Klimaschutz, Armutsbekämpfung, die Schaffung von Arbeitsplätzen und Gesundheitsversorgung (!) irrelevant werden, erscheint extrem unwahrscheinlich. Als gesellschaftliches Leitbild dürfte die Nachhaltigkeit wichtig bleiben, dasselbe gilt für die UN-Nachhaltigkeitsziele.
Zweitens: Es besteht zumindest die Chance, dass Arbeit und Leistung, Erfolg und Verantwortung neu bewertet werden. Vielen Menschen scheint zu dämmern, wie wichtig – ja: systemerhaltend – eher schlecht bezahlte Jobs wie der des Krankenpflegers oder der vielzitierten BILLA-Verkäuferin sind. Wenn diese Wertschätzung mit der Krise nicht gleich wieder verschwindet, kann das auch heißen: Wer für seine Arbeit gut bezahlt wird, muss sich mehr als früher für sein Gehalt rechtfertigen. Ein (sehr) hohes Gehalt wird üblicherweise mit Leistung und Verantwortung begründet – zwei Konzepte, die in ein paar Monaten womöglich anders bewertet werden als vor der Corona-Krise. Der im CSR-Diskurs bekannte Begriff der licence to operate könnte ganz neue Bedeutung erlangen.
Drittens: Die Krise hat schlaglichtartig die hohe Fragilität globaler Wertschöpfungsketten deutlich werden lassen. Wie sich das auf die Globalisierung auswirken wird und ob es gar Re-Regionalisierungsprozesse geben wird, bleibt abzuwarten. Schon jetzt mehren sich Stimmen, die auf die mangelnde Resilienz bestehender Strukturen hinweisen und Änderungen anmahnen.
Vor diesem Hintergrund dürfte „Transformation“ ein Schlüsselbegriff der Nachhaltigkeitsdebatte bleiben. Transformation steht ja – beispielsweise im Kontext der UN-Nachhaltigkeitsziele – wesentlich für das Bestreben, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel nicht passiv zu erleiden, sondern aktiv zu gestalten. Dabei könnte es sich als hilfreich erweisen, dass gesellschaftliche Ziele – wie durch Corona deutlich wurde – offenbar ein Maß an politischer Energie entfalten können, das man vor der Corona-Krise kaum für möglich gehalten hätte. Hier könnte eine Chance für die Nachhaltigkeit liegen. Zu sicher sollte man sich freilich nicht sein: Es ist mitnichten ausgeschlossen, dass die Nachhaltigkeit und Klimapolitik jetzt den großen konjunkturpolitischen Sorgen rigoros untergeordnet werden und dass das diese Themen unter die Räder einer überholt geglaubten quantitativen Wachstumsorientierung gerät. Es ist freilich auch nicht völlig undenkbar, dass Konjunkturprogramme sich zumindest teilweise an ökosozialen Kriterien orientieren werden.
Womöglich führt die neu entdeckte Macht des Politischen dazu, dass der ordnungspolitische Rahmen, der die Spielregeln für die Wirtschaft setzt, sich positiv verändert. Vielleicht wird nach der Krise deutlich, dass Verbote auf lange Sicht kein gutes Politikinstrument sind und dass Anreize zu richtigem Handeln einer offenen Gesellschaft besser anstehen. Die Preise müssen die ökologische Wahrheit sagen – diese Einsicht ist von zeitloser Richtigkeit. Wenn der Rahmen stimmt, ist der Markt als „Entdeckungsverfahren“ (Hayek) ein phantastischer Mechanismus zur Lösung gesellschaftlicher Probleme.
Wer auf Zukunftsfähigkeit und Verantwortung setzt, sollte sich jetzt deshalb daran erinnern, was in der Debatte über Nachhaltigkeit immer wieder betont wurde: Dass Nachhaltigkeit kein fixes Ziel ist, dass man erreichen und dann verwalten kann – sondern ein dynamischer Such- und Lernprozess, der zu Transformationsimpulsen führt. Das ist gesamtgesellschaftlich ebenso relevant wie auf der Ebene einzelner Unternehmen.
Man sollte angesichts der Krisendimension gewiss nicht naiv sein. Aber man darf hoffen, dass die Politik auf lange Sicht Kostenwahrheit und Unternehmensverantwortung als zentrale Zukunftsfelder entdeckt – und dass es jede Menge Unternehmerinnen, Manager und Beschäftige gibt, die die Transformationsaufgabe „Nachhaltigkeit“ beherzt angehen werden. Nach dem Corona-Schock ist diese Herausforderung womöglich noch größer als vorher. Ich halte es für höchst wahrscheinlich, dass in diesen komplizierten Zeiten Themen wie Unternehmenskultur, Innovationsmanagement und Reputation an Bedeutung gewinnen werden. Unternehmen, die Verantwortung und Nachhaltigkeit authentisch in die Praxis umsetzen, werden bei den hier notwendigen Lernprozessen im Vorteil sein.
Über den Autor:
Fred Luks ist Forscher, Publizist und Redner. Er hat in Hamburg und Honolulu Volkswirtschaftslehre studiert und beschäftigt sich seit langem in Forschung, Lehre und Management mit Zukunftsfragen. Er unterstützt Organisationen in Sachen Nachhaltigkeit und Transformation. Vor kurzem ist sein zehntes Buch Hoffnung. Über Wandel, Wissen und politische Wunder erschienen. Auf www.fredluks.com bloggt er über Hoffnung im Ausnahmezustand.
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