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Das Baby krabbelt über den Teppich, die Mama sitzt daneben und beobachtet ihr Kind. Der Kleine dreht sich um, kommt zurück, fällt in die Arme der Mutter, schmiegt sich an, macht die Augen zu, hebt wieder den Kopf und lässt sich auf den Boden vor seiner Mutter gleiten. Mama Gabi hat sich das alles im Video angesehen. Sie und ihr Baby sind gefilmt worden, wie sie miteinander gespielt haben. Jetzt beobachtet sie sich selber dabei. Und kommentiert das, was sie sieht. Hier geht es darum, dass Mama und Papa die Bedürfnisse und Signale ihrer Kinder erkennen und verstehen. Diese „Frühen Hilfen“[1] richten sich an Familien, die es schwer haben und an einen Alltag, in dem große Schwierigkeiten im Aufbau der Beziehung mit dem Kind auftreten: Überforderung, existenzielle Sorgen oder psychische Erkrankungen. Mittels Filmsequenzen können sich die Frauen selbst im Umgang mit ihrem Kind sehen – und daraus Schlüsse ziehen. Welche Bedürfnisse würde das Kind äußern, könnte es schon sprechen? Vielleicht: Ich brauche Dich, damit ich die Welt erkunden kann. Pass auf mich auf. Freu dich mit mir. Ich brauche dich, damit du mich willkommen heißt, wenn ich zu dir komme. Beschütze mich. Ordne meine Gefühle. Freu dich an mir. Tröste mich.
Investitionen in dieser frühen Phase des Kindes zahlen sich aus. Für das Kind, für die Mutter und den Vater. Und auch insgesamt für die Gesellschaft. Investitionen im frühkindlichen Bereich haben den höchsten return on investment. Ein investierter Dollar entspricht einer Rendite von 8 Dollar, bei benachteiligten Kindern beträgt sie sogar 16 Dollar, so Nobelpreisträger James Heckmann. Auch frühe Schulabgänge verursachen hohe Kosten. Hochgerechnet auf die Zahl der frühen Schulabbrecher:innen im Alter von 18 bis 24 Jahren betragen die gesamtwirtschaftlichen Kosten 1,1 Mrd. Euro, jene der öffentlichen Hand 460 Mio. Wenn wir 230 Millionen jährlich in entsprechende präventive Programme investieren würden und es gelänge, den Anteil der frühen Schulabgänge zu halbieren, würden keine zusätzlichen Kosten entstehen.[2]
Das Gleiche gilt für die Gesundheit. Die sozialen und gesundheitlichen Ungleichheiten, die in der Kindheit auftreten, haben eine hohe Prognosewirkung für das Krankheitsrisiko im Erwachsenenalter.[3] Diese Kinder tragen die soziale Benachteiligung als gesundheitliche Benachteiligung ein Leben lang mit. Sie sind auch als Erwachsene deutlich kränker als der Rest der Bevölkerung. Arme Kinder von heute sind die chronisch Kranken von morgen.
Die Sommer werden heißer. Das Klima auch. Für manche zu heiß. Sommerliche Hitzeperioden sind ein Gesundheitsrisiko. In der Hitzewelle sterben Menschen, besonders gefährdet sind ältere und pflegebedürftige Personen, Kinder und Patienten mit Herz-Kreislaufproblemen – und da Haushalte in Vierteln mit geringem Einkommen. Österreich verzeichnete in den letzten Jahren über 4000 Hitzetote[4]. Die Risken sind ungleich verteilt: Wenn ich mit der Straßenbahn vom ärmsten Wiener Gemeindebezirk, Fünfhaus, in den reichsten – nach Hietzing – fahre, dann liegen dazwischen einige Minuten an Fahrzeit, aber auch sechs Jahre an Lebenserwartung der jeweiligen Wohnbevölkerung. Bezirke, in denen das durchschnittliche Nettoeinkommen um 100 Euro höher ist, haben eine um acht Monate längere Lebenserwartung. In den ärmsten Bezirken wie Fünfhaus und Brigittenau, aber auch Bezirke um den Gürtel wiesen starke Hitzespots auf. Ein interessantes Detail: Bei den an Hitze Verstorbenen wissen wir, dass viele der Betroffenen einsam und isoliert waren, es niemand gab, der mal vorbeischaute und fragte, wie es geht. Soziale Begegnung und gute Nachbarschaft machen einen Unterschied.
Wenn einer in früheren Zeiten einen Dom gebaut hat, dann hat er gewusst, da drinnen zu stehen, werde ich nicht mehr erleben. Und trotzdem hat er angefangen zu bauen, einen Stein auf den anderen gesetzt, mit dem Wissen, dass es diese Bausteine braucht, damit das Werk einmal fertig wird. Oder ein Förster pflanzt rechtzeitig Bäume, damit seine Kinder und Enkelkinder den Wald noch bewirtschaften können. So ein Blick über uns hinaus wäre jetzt hilfreich. Wir brauchen eine Vorstellung von der Zukunft, für die es sich lohnt, etwas in der Gegenwart zu ändern.
Über den Autor
Martin Schenk ist Sozialexperte sowie Stv. Direktor der Diakonie Österreich, Psychologe. Mitinitiator zahlreicher sozialer Initiativen: „Die Armutskonferenz“ (Netzwerk gegen Armut) „Hunger auf Kunst und Kultur“ (Kultur für Leute ohne Geld), SozialrechtsNetz (Durchsetzung sozialer Menschenrechte), „Frühe Hilfen“ (Unterstützung von Anfang an). Autor mehrerer Bücher zu den Themen Armut, Sozialstaat, Integration und Gesundheit.
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